Förderbanken: Zukunftsorientiert, modern, agil und digital
Überblick
2020 – Start der Corona-Pandemie. 2021 – Anstieg der Inflationsrate von 4,5 Prozent auf 10,4 Prozent innerhalb eines Jahres (Stand: Entwicklung von Oktober 2021 bis Oktober 2022). 2022 – Unsichere Zeiten durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und dadurch resultierende Ressourcenengpässe. 2023 – Voraussichtliche Rezession in Deutschland – die deutsche Wirtschaft wird um mindestens 0,4 Prozent schrumpfen. Seit 2020 muss die deutsche Ökonomie mit diversen Krisen umgehen, insbesondere die KMU (Kleine und Mittelständische Unternehmen) stehen immer mehr unter Druck. Zusätzlich stehen wir vor der Herausforderung des Klimawandels und der Förderung nachhaltigerer Konzepte in allen Bereichen unseres Lebens.
Der Staat ist häufig als Krisenhelfer gefragt, um unsere Volkswirtschaft zu schützen, weiter zu fördern sowie in dynamischen Zeiten weitere Krisen zu vermeiden und den Wirtschaftsstandort Deutschland zu sichern. Hierbei nehmen Förderbanken eine besondere Position ein: Die Rolle des Antagonisten. In der Coronakrise wurden zum Beispiel zwei Maßnahmenpakete in Form von Darlehens- und Beteiligungsprogrammen über die KfW ins Leben gerufen (KfW-Sonderprogramm und KfW-Schnellkredit sowie Maßnahmen für Startups und kleine Mittelständler). Für die Folgen der Ukrainekrise gibt es das KfW Sonderprogramm „UBR 2022“. Zum Thema Klimawandel und Nachhaltigkeit wurden diverse und umfangreiche Förderprogramme auf Bundes- wie Landesebene aufgelegt.
Förderale Struktur führt zu diversem Förderbankensystem
Aufgrund der föderalen Struktur Deutschlands gibt es zwei Förderinstitute auf Bundesebene, die KfW-Bankengruppe und die landwirtschaftliche Rentenbank, sowie insgesamt 16 landesspezifische Förderbanken. In der gegenwärtigen Zeit mit einer komplexer und dynamischer werdenden Weltökonomie, ist die Arbeit der Förderinstitute ein wichtiger Baustein und ein essenzielles Steuerungsinstrument für die Umsetzung politischer sowie ökonomischer Ziele. Die bedeutendste Herausforderung ist der beschleunigte gesellschaftliche, ökonomische und politische Wandel und die damit einhergehenden höheren Flexibilitätsanforderungen auf der Nachfrageseite. Es sind permanent neue Förderprogramme für spezifische Situationen am Markt gefordert. Die Förderinstitute sind gezwungen ihre Angebote häufiger anzupassen, schneller auf den Markt zu bringen (Time2Market) und Vertriebswege transparenter und einfacher für den Kunden zu gestalten.
Damit einhergehend hängt die Zukunftsfähigkeit der Förderinstitute langfristig von der dynamischen Anpassungs- und zeitnahen Releasefähigkeit sowie der kundenzentrierten Umsetzung digitaler Förderprogramme ab. Unseres Erachtens ist für die Gewährleistung der Zukunftsfähigkeit eine Neuorientierung und die Umsetzung strategischer Erfolgsfaktoren unumgänglich:
1. Eine Digitalstrategie und deren Umsetzung sind elementare Erfolgsfaktoren für die Zukunftsfähigkeit der Förderbanken.
Förderbanken stehen im Rahmen der voranschreitenden Digitalisierung und eines durch externe Faktoren zunehmend dynamischen Förderumfelds einer Vielzahl von Herausforderungen gegenüber. Die Förderbanken kommen somit nicht umhin, den Ist-Zustand ihrer Organisation, Prozesse und IT-Landschaft zu analysieren und diese den Marktgegebenheiten und künftigen Anforderungen gegenüberzustellen. Die daraus ableitbaren strategischen Digitalisierungsziele sollten sich in einer umfassenden Digitalstrategie wiederfinden, die sämtliche Verhaltensweisen und Maßnahmen umfasst, sodass sich ein Unternehmen entlang der kompletten Wertschöpfungskette digital aufstellen kann. Die Digitalstrategie beinhaltet das Vorgehensmodell für die Umsetzung der gesteckten Ziele und sollte im Einklang mit der IT-Strategie stehen.
Ganzheitliche Koordination und Steuerung erforderlich
Zur Umsetzung der strategischen Ziele, die häufig sehr komplexe Veränderungs- und Anpassungsprozesse bedingen, ist die Zusammenarbeit einer Vielzahl von Akteuren notwendig. Neben internen Ressourcen, werden häufig externe Dienstleister/Ressourcen mit der Umsetzung einzelner Strategiebestandteile beauftragt. Entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung der Strategie sind eine übergreifende ganzheitliche Koordination und Steuerung der Aufgaben sowie Stakeholder erforderlich.
These 1: Eine umfassende Digitalstrategie sowie die konsequente Umsetzung durch übergreifende und ganzheitliche Koordination der Aufgaben sowie Stakeholder bilden Erfolgsfaktoren für die Sicherstellung der Zukunftsfähigkeit der Förderbanken.
2. Digitalisierung des Vertriebs und Ausrichtung zum Online-Markt
Lange Jahre wurde von Förderbanken auf altbewährte Vertriebswege, das heißt die Kooperationen mit Geschäftsbanken, gesetzt. Gemäß dem Hausbankenprinzip waren hier Kunden von ihren Bankberatern und deren Expertise sowie Empfehlungen abhängig. Der Schritt von papierhaften Anträgen zu digitalen Online-Anträgen wurde angestoßen. Jedoch ist es den Instituten zu empfehlen sich weiter unabhängig von Kooperationspartnern zu machen und neue Vertriebswege durch homogene Fördersystemlandschaften in Form von Plattformökonomien zu suchen. Darüber hinaus ist die Implementierung standardisierter APIs (Application Programming Interface) in diesen Fördersystemlandschaften unumgänglich, sodass die Anbindung an marktbeherrschende Online-Finanzvermittler und weitere Online-Vertriebspartner möglich ist. Dabei ist den Kundenanforderungen mit digitalen Produkten so zu begegnen, dass Förderprodukte und weitere Dienstleistungen den Bedürfnissen des digitalen Kunden entsprechen. Es gilt für eine barrierefreie und intuitive Online-Antragsstrecke entsprechende Produkt oder Dienstleistungskonzepte zu entwickeln.
These 2: Förderinstitute müssen weg von heterogenen IT-Landschaften hin zu homogenen Fördersystemlandschaften (Ökosystem) mit standardisierten APIs, um die Teilnahme am OnlineMarkt zu gewährleisten und den Vertriebskanal im Sinne des Kunden transparent und User-freundlich zu gestalten.
3. Digitalisierung der End-to-End Prozesse und Umsetzung des OZG (Onlinezugangsgesetzes)
Das im Jahr 2017 in Kraft getretene Onlinezugangsgesetz (OZG) verpflichtet Bund und Länder, ihre Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten. Konkret beinhaltet das zwei Aufgaben. Zum einen müssen Verwaltungsleistungen auf Bund-, Länder- und kommunaler Ebene digitalisiert werden. Zum anderen muss eine ITInfrastruktur geschaffen werden, die jedem Kunden den Zugriff auf die Verwaltungsleistungen mit nur wenigen Klicks ermöglicht. Die Nutzerorientierung hat bei der OZG-Umsetzung oberste Priorität. Das heißt, alle Digitalisierungsprozesse sind an den Bedürfnissen des Kunden ausgerichtet. Dies gilt auch für die Förderinstitute. Dementsprechend sind die Förderinstitute bis Ende des Jahres verpflichtet ihre Förderprogramme mit digitalen Antragsstrecken online zur Verfügung zu stellen. Die alleinige OZG-Umsetzung wird jedoch nicht ausreichend sein. Die Digitalisierung der Online-Antragsstrecken ist zwar ein erster Schritt, jedoch ist es für die Zukunftsfähigkeit und den Aufbau effektiver und effizienter (Bewilligungs-) Prozesse essenziell die komplette Lieferkette, sprich die Prozesse end-to-end, zu digitalisieren und einen möglichst hohen Automatisierungsgrad zu erreichen. Ein weiterer maßgeblicher Faktor ist die flexible und volldigitalisierte Kollaboration der Fachgruppen und Ministerien bei der täglichen Arbeit mit den Kunden und deren Förderanträgen.
These 3: Förderinstitute sollten nicht nur das OZG-Gesetz umsetzen, sondern die Digitalisierung vollständig vorantreiben, um im Sinne der Zukunftsfähigkeit von effektiveren, effizienteren und automatisierten Prozessen zur Bewilligung von Förderprogrammen zu profitieren.
4. Eine ganzheitliche funktionale Strategie beim Aufbau der Plattform ist ein entscheidendes Element
Für einen ganzheitlichen Aufbau der Plattform der Zukunft, gilt es die gesamte Förderkette, von der Antragstellung bis hin zur Auszahlung abzubilden sowie einen Austausch aller Beteiligten, vom End User bis zu den Bewilligungsstellen zu ermöglichen. Fachlich zusammenhängende Funktionen werden dabei in Modulen gebündelt. Diese bilden von der portalgestützten OnlineAntragstellung inklusive der fallweisen benötigten Schnittstellen (Fachanwendungen) über die Antragsbearbeitungen, Bewilligungen und anschließende Mittelbewirtschaftung bzw. Kontingentverwaltung sowie Auszahlungen alle benötigten Fachfunktionen für die Prozesse ab. Ausrichtung, Aufbau, Betrieb und Weiterentwicklung sollten dabei klaren funktionalen und strategischen Leitlinien, wie eine moderne ITArchitektur, ein umfassendes Servicekonzept, ein Prozessframework inkl. Automatisierung, verantwortliche Einbindung aller Kollaborationspartner und kosteneffiziente Services, folgen. Qualitativ hochwertige Serviceleistungen und Förderstrecken anzubieten, ist von elementarer Bedeutung.
These 4: Nicht nur die technische und homogene Plattform ist eine Grundanforderung, sondern auch die funktionale Digitalisierung und Automatisierung kompletter Prozessketten. Also von der Online-Antragstellung über die Bewilligung bis hin zur Auszahlung, effizient und ohne Medienbrüche.
5. Die bestehenden Herausforderungen lassen sich einfacher in einer Banken-Kooperation zwischen den Förderinstituten bewältigen.
Seit 1998 gibt es eine Bankenkooperation von sieben Förderbanken in Deutschland. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, das auf SAP-basierende System ABAKUS, das aktuelle Förderbanken Antrags- und Kundenportal, gemeinsam zu entwickeln und zu betreuen, um hierdurch Synergieeffekte zu erzielen. Seit Juli 2020 war hier ein primäres Ziel, den Antragsprozess zu vereinfachen, zu standardisieren und zu beschleunigen. Über das neue Online-Kundenportal der Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen (WI-Bank) können Kunden nun beispielsweise den „DigitalZuschuss“ als Förderprodukt beantragen. Nun sollen iterativ weitere Kredit- und Zuschussprogramme in den Bereichen Infrastruktur, EU-Strukturfonds, Wirtschaftsförderung sowie Wohnungs- und Städtebau hinzukommen.
Dies sind erste und richtige Ansätze für die Zukunft, jedoch noch nicht ausreichend. Um nachhaltige und langfristige Synergieeffekte zu erzielen, sind weitere Standardisierungen der eingesetzten Technologien in der Tiefe, wie zum Beispiel standardisierte APIs und einheitliche Plattformstrategien, notwendig. Unabhängig von der Technologie ist auch eine Harmonisierung und Standardisierung der Entwicklungsprozesse der Förderinstitute, des sogenannten Product Developments bzw. des IT-Change-Managements, notwendig. Eine agile Gestaltung ist Grundvoraussetzung, um den immer kürzeren Anforderungen der zukünftigen Time2Market gerecht zu werden. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist eine Data- und Prozess-Governance zwischen den Ministerien, den IT-Dienstleistern und den prozessualen Verbindungen zur Bankenkooperation.
These 5: Die Bankenkooperation der Förderinstitute muss die vollumfängliche Digitalisierung der Förderprogramme vorantreiben und Voraussetzungen schaffen, dass zukünftige Förderprogramme schnell und qualitativ hochwertig digital bereitgestellt werden.
Ziel dafür muss es sein, standardisierte Technologien zu entwickeln, harmonisierte Entwicklungsprozesse einzuführen sowie eine gemeinsame Data- und Prozess-Governance aufzubauen. Nun sollen die Förderinstitute all das innerhalb kürzester Zeit umsetzen. Wie kann das funktionieren? Durch ein ganzheitliches agiles Transformationsmanagement, das alle KeyStakeholder in den Transformationsprozess einbindet sowie auf strategischer Ebene aufsetzt und bis zum Deployment steuert.
Das Herzstück des Transformationsframeworks
Dieses agile Transformationsframework (siehe Abbildung) sollte hierbei aus den folgenden Grundelementen bestehen:
Der Change Governance, die für das Framework den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen definiert.
Dem Change Management Prozess, der die Grundelemente des Prozesses und dessen Funktionsweise sowie einzelne Iterationsschritte vorgibt.
Dem Rollenkonzept, das genau definiert, welche Rollen zu vergeben sind und was deren Aufgabenspektrum beinhaltet.
Der Kollaboration und Kommunikation, wodurch die Einbindung aller relevanter Beteiligten zum richtigen Zeitpunkt sichergestellt wird.
Das Herzstück des Transformations frameworks ist das sogenannte „Backlog-Management“, das die einheitliche Ausrichtung der Vision, Strategie und entsprechenden Produkten sowie Changes sicherstellt. Der Zweck des Backlog-Managements besteht darin, die Unternehmensstrategie mit der Umsetzungsebene in Einklang zu bringen, indem es durch iterative und aufeinander aufbauende Backlog-Elemente, wie Strategic Themes, Objectives & Key Results (OKRs), Epics, Features, Stories und Governance & Security, die zu erreichenden strategischen Ziele in die operative Umsetzungsebene übersetzt. Hierbei erhalten die Transformationsobjekte je Ebene mehr Tiefe, verlieren jedoch den Bezug zur Unternehmensstrategie nie aus den Augen. Somit wird sichergestellt, dass jede Aktivität, verfügbare Kapazitäten, unterschiedliche Bereiche und Interessensgruppen stets auf die strategischen und gemeinsamen Ziele einzahlen. Während wir bei Strategic Themes von einem Zyklus von drei bis 5 Jahren, bei OKRs von eins bis drei Jahren und Epics von mindestens einem Quartal bis vier Quartale ausgehen, sollten Features innerhalb eines Quartals und die jeweiligen Stories im System Development in zweiwöchigen Sprints umsetzbar sein. Nach jedem der Zyklen ist eine Retrospektive am Ende elementar. Eine weitere Stärke des Transformation-Frameworks ist die ITIL-Konformität, und dass die Gestaltung der jeweiligen Einzelschritte regulatorische Anforderungen für Banken standhält.
Fazit
Förderbanken sehen sich mit einer Vielzahl an Herausforderungen ökonomischer, technologischer und gesellschaftlicher Art konfrontiert. Die Richtlinien der EU nehmen nicht nur in rasanter Geschwindigkeit zu, sondern kommen auch in immer schnelleren Zyklen und reagieren auf die aktuellen Einflussfaktoren. Um künftig dem Förderauftrag vollumfänglich nachkommen zu können, ist ein Wandel von einer starren zu einer dynamischen Organisation notwendig. Der Paradigmenwechsel in dem Fördergeschäft für hohe digitale Anforderungen und Plattformstrukturen ist längst eingetreten. Insbesondere folgende Aufgaben sind anzugehen:
● Umstellung von einer heterogenen IT-Landschaft zu einer homogenen, Userfreundlichen Fördersystemlandschaft ● Vollumfängliche Prozessdigitalisierung über die Anforderungen des OZG hinaus (end-to-end) ● Kooperation von Förderbanken zur Etablierung gemeinsamer Standards und Kostenersparnis ● Aufstellung einer Digitalstrategie und übergreifende ganzheitliche Koordination und Steuerung der Aufgaben sowie Stakeholder
Autorin: Ingrid Vollweiter ist Partner und Gesellschafter Digitalisierung und Transformation bei STRANGE Consult.
Autor: Cem Yardimci ist Program Manager Digitalisierung und Transformation bei STRANGE Consult.
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